Und da treffen sie wieder aufeinander, die verschiedenen Haltungen zu den einzelnen Abschnitten in der Asterix-Genese. Ich fühle mich gerade hin und her gerissen zwischen meinem inneren Asterix, der allen sagen will, sie sollen sich beruhigen, und meinem inneren Obelix, der freudig ruft "Geht's los? Geht's los?" und mit Genuss mitten rein springt in den Tumult. Ein letztes Zögern... Obelix gewinnt!
Zunächst mal kann ich mir nicht verkneifen, wo wir doch grad bei unseren rein subjektiven Wahrnehmungen sind, zu betonen, dass ich tatsächlich nur einen recht begrenzten Qualitätsunterschied zwsichen der Gesamtheit der Goscinny-Bände, der Gesamtheit der Uderzo-Bände und der Gesamtheit der Ferri-Bände empfinde. Ja, ich bin sogar einmal, ist schon länger her, soweit gegangen, alle bis dahin erschienenen Bände zu benoten wie in der Schule und dann zu schauen, welchen "Noten-Durchschnitt" jeder der drei Autoren schaffen würde, und siehe da - es gab fast keinen Unterschied (Goscinni lag vorne, aber nicht viel)! Als ich mir das Ganze dann im Detail anschaute, fiel mir auf, dass die nicht so guten Goscinni-Bände aber meistens immer noch ok waren, während die Uderzo- oder Ferri-Bände, die mir nicht gefielen, meist richtig schwach waren. Hopp oder Topp also, während man bei Goscinny zumindest noch soliden Standard erwarten konnte, auch wenn er mal nicht so ganz getroffen hatte, und dieser Umstand verschaffte ihm am Ende einen kleinen Vorsprung vor den anderen beiden - und das war's. Dass er mehr Spitzenbände hatte, ergibt sich hingegen daraus, dass er auch insgesamt die meisten Bände hatte - wie gesagt, im Durchschnitt relativierte sich das dann in meiner Aufstellung.
Aber bevor sich jetzt einer mehr aufregt, als es nötig ist - ich selbst rechne solchen Tabellen keine allzu große Bedeutung zu. So wie eine Schulnote nie wirklich abbilden kann, wie gut ein Schüler tatsächlich ist, so ist auch dieses System unzureichend, zumal ich die Noten ja auch nur nach meinem eigenen, rein subjektiven Empfinden vergeben habe. Somit haben diese Zahlen also auch nur für mich selbst Gültigkeit - allen anderen können sie egal sein. Immerhin verdeutlichen sie aber meine persönliche Bewertung der unterschiedlichen Autoren, und deshalb habe ich die ganze Geschichte hier überhaupt erst erzählt.
Und ausgehend von dieser persönlichen, subjektiven Sichtweise sage ich zum Thema "Fabelwesen & Realismus" in Asterix-Bänden:
Dass Druiden alles mögliche können, ist gerade die Idee von Asterix, dazu gehört also alles, was Tränke usw. erreichen (nicht nur die Superstärke). In dieser Logik ist naheliegend, dass Fakire (sozusagen als indische Druiden) auf ihre eigene, technisch andersartige Weise letztlich das selbe können (Fliegende Teppiche!). Darin sehe ich nicht mal ansatzweise einen Logikbruch. Auch ein Schamane aus dem Regenwald hätte in der Asterix-Welt vergleichbare Fähigkeiten. So gesehen hat mich immer verwundert, wieso die Indianer in "Die große Überfahrt" nichts Vergleichbares hatten. Oder die Normannen. Oder die Pikten. Eigentlich wäre das logisch. Andererseits - wenn alle sowas hätten, dann müssten es auch die Römer haben, oder nicht? Nein, weil die Römer für Moderne und Zivilisation und Technik stehen, also für Wissenschaft. Deshalb haben sie keine Zauberei. Ihre "Zauberei" wird am deutlichsten in "Trabantenstadt", weshalb ich diesen Band auch besonders schätze. Gerade die verzauberten Eicheln, die am Ende über den Ruinen wachsen, vermitteln hier überhaupt erst die entscheidende Aussage: Natur (Druiden, Zauberei, einfaches Dorfleben) besiegt Kultur (Architekten, Sklavenarbeit bzw. Ausbeutung, Stadt)*. Gerade, weil es völlig unsinnig ist, eine Trabantenstadt mitten ins Nirgendwo zu setzen, als "Trabant" eines kleinen Dorfes irgendwo im Wald. Und Pikten (mit ihren Ränkespielen um die Anführerschaft), Normannen (die ja auch wissen/lernen wollen, was Angst ist, also letztlich "wissenschaftlich tätig" sind) und all diese Leute haben deswegen sowas nicht (wie gesagt, bei den Indianern hat sich mir das nie so ganz erschlossen, die hätten sowas eigentlich haben müssen). Auch Gallier nicht flächendeckend, deshalb hat ja auch Augenblix keinen Druiden und die Leute (nicht nur in Asterix' Dorf) fallen auf den falschen Seher herein. Und Inder auch nicht flächendeckend, die Zivilisation ist eben auf dem Vormarsch damals. Das alles erscheint mir also voll und ganz stimmig.
Und die Fabelwesen?
Geschichten wie "Der Gallische Frühling" zähle ich ehrlich gesagt nicht wirklich... das ist ja kein richtiges Album, es entstand zu einem anderen Zweck und in einem anderen Kontext.
Kleine Gags wie die sprechende Eule ("Unterhaltsamer Baum, hier geh' ich nie mehr weg!") oder der vieldiskutierte Drache sehe ich als nicht mehr als das, und wenn ich an die Eicheln denke, dann ist daran auch nichts Schlimmes - außer vielleicht, dass der Gag beim Drache nicht so vielschichtig funktioniert. Aber naja, das ist dann schon Jammern auf hohem Niveau. Ich weiß jedenfalls noch, dass ich besagte Eule als Kind super fand, und mir gefällt sie heute noch. Das Einhorn halte ich heute für überflüssig, aber wer weiß, ob nicht Kinder von heute in 30 Jahren sagen werden, wie cool sie es fanden? Meine Güte, es ist doch bloß ein kleiner Gag, es schadet nicht, weil es die Story nicht beeinträchtigt. Klar hätte man auch einen Bären nehmen können und klar kann man sich fragen "Musste das jetzt unbedingt ein Einhorn sein?" - aber man kann sich auch fragen: "Kommt es darauf wirklich an?" Für mich nicht. Und da sind wir wieder bei der Subjektivität, und die kann uns keiner wegnehmen und keiner schlechtreden - wer sich wirklich echt und ehrlich an dem Einhorn stört, für den tut's mir auch ehrlich und ohne jeden Spott im Tonfall leid. Aber vielleicht gibts eben auch Leute, die es cool finden, und bloß weil diese sich nicht mit ein paar Alt-Fans, die ihre Großväter sein könnten, in einem Forum darüber unterhalten wollen, heißt das ja nicht, dass sie nicht da wären oder dass ihre Meinung nichts zählen würde. Ich jedenfalls halte mich da mit einem Urteil zurück.
Was mich wirklich am meisten gestört hat an all den Fabelwesen ist tatsächlich Nessie (also Fafnie). Das passt überhaupt nicht, weil das echte Loch-Ness-Monster (naja, echt wohl am ehesten in " ", oder?) eben als ein Monster gilt, als was Gefährliches, meist wird damit ja ein Dinosaurier in Verbindung gebracht. Natürlich ist es eine Methode, es als nett und freundlich darzustellen, aber viel gibt das meiner Meinung nach nicht her, und dass es eine so große Rolle in der Geschichte spielt, ist auch neu**. Ich hätte es hier viel besser gefunden, wenn ein Fake-Nessie (ein Baumstamm oder so, am besten was, was tatsächlich mal für eine Fälschung benutzt wurde) aufgetaucht wäre (und gerne auch eine Rolle in der Geschichte hätte spielen dürfen, z.B. zum Erschrecken und Vertreiben der Römer oder so) und somit die "Tradition" der Nessie-Sichtungen bis heute erklärt hätte - und sie alle von Anfang an, seit Asterix' Zeiten, als Fälschungen "erklärt" hätte. DAS wäre klasse gewesen! Aber gut, hat Ferri nicht gemacht. Goscinny hätte es vielleicht getan, wer weiß?
So, und jetzt also der Greif - wie ich schonmal sagte: Immer mit der Ruhe, bis jetzt ist noch nichtmal sicher, ob es ihn in der Asterix-Welt wirklich gibt. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass Ferri ihn wohl real machen wird. Der Titel jedenfalls stört mich nicht im Geringsten - erinnert mich ehrlich gesagt etwas an "Der Seher"!, keine Ahnung warum. Ich finde ihn auch nicht zu kurz. Und welche Rolle soll dieser Greif nun also spielen? Eine wie das "Steinöl" in "Die Odyssee", das den ganzen Band über gesucht wird, aber tatsächlich nur recht kurz am Ende mal auftaucht und dann plötzlich doch gar nicht so wichtig ist? Eine wie der fliegende Teppich, der eben benutzt wird und dafür auch nötig ist für das Funktionieren der Geschichte, der aber eigentlich nicht wirklich das Ziel der Handlung ist? Eine wie Nessie/Fafnie, als nettes/böses Monster, dass tatsächlich handlungstragend wird, mehr vielleicht noch als in Band XXXV? Sozusagen als Weiterentwicklung dessen, was Ferri damals angetestet hat? Ich habe keine Ahnung. Ein albenfüllendes Loch-Ness-Monster brauche ich ehrlich gesagt nicht, aber vielleicht ist es diesmal ja besser gemacht?
Jedenfalls sehe ich das bloße Auftreten solche Wesen nicht als Problem an, auch nicht als wirklich schwerwiegenden Bruch - wir haben ja schon gesehen, wie schwer es heutzutage ist, Leute/Völker zu karrikieren, ohne dass gleich wieder jemand beleidigt ist. Da ist das Ausweichen auf Fabelwesen vielleicht auch einfach nur ein Versuch, trotzdem eine Geschichte zu erzählen - und warum soll es keine gute sein? Weil Ferri noch nicht so viele gute hatte? Na, ob das nun an den Fabelwesen liegt, mag ich mal nicht beantworten, da könnte es viele Erklärungen geben, und außerdem könnte es ja trotzdem sein, dass diese Geschichte mal wieder gut wird, wer weiß. Außerdem ist ja nichtmal sicher, ob er wirklich nicht so viele gute Geschichten erzählt hat bisher - in Fan-Foren sind halt v.a. Alt-Fans unterwegs, aber was andere Leser meinen, zeigt sich ja letztlich eher an der Ladenkasse als in Forenbeiträgen.
Bleibt das Gefühl, dass Asterix "nicht mehr das ist, was es mal war", als noch keine Einhörner und fliegenden Kühe die Alben unsicher machten. Tja nun, da bleibt mir nur die Binsenweisheit der sich stetig ändernden Welt - wem's nicht gefällt, der soll die neuen Bände halt nicht lesen. Und wenn niemand sie mehr lesen würde (würde!), dann würde die Reihe ja auch eingestellt und man müsste sich nicht mehr aufregen. Aber das wäre genauso schade, als wenn Verleihnix plötzlich frische Fische verkaufen würde und man sich deswegen nicht mehr in die Haare kriegen könnte.
Oh Mann, ist das viel geworden - da bin ich ja mal richtig ins Philosophieren geraten. Beim nächsten Mal lasse ich wohl lieber wieder Asterix gewinnen...
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*Deshalb finde ich auch so super von Goscinni, dass er am Ende Asterix und Miraculix darüber philosophieren lässt, ob sie den Fortschritt wohl jedes Mal so aufhalten können, und Miraculix meint: Nein! Und das ist doch gerade der "Realismus", den Nullnullsix (das Forenmitglied, nicht die Figur aus Band XXVI) so schätzt - wir wissen ja alle, dass die röm. Zivilisation sich in Wirklichkeit am Ende durchgesetzt hat (und wir wissen auch, dass das in der Summe nicht das Schlechteste für uns war, obwohl wir gleichzeitig auch spüren, dass wir dabei etwas auf dem Weg verloren haben - und um das zu sagen - und es dabei auch noch ein bisschen lustig zu machen, mit all den Gags, die sich aus der Idee mit den verzauberten Eicheln ergeben - hat Goscinny eben diese Eicheln eingeführt und das war genial! Das ist es wohl, was Erik meinte, als er sagte:
Erik hat geschrieben: ↑31. März 2021 18:42
Die Schwäche der - und im Vergleich zu den Goscinny-Bänden wahrscheinlich so ziemlich aller - jüngeren Asterix-Bände liegt jedenfalls meiner Meinung nach nicht in dem Einsatz solcher Elemente einschließlich des Auftritts von Fabelwesen begründet, sondern in der begrenzten Fähigkeit der Texter, damit eine durchdachte, stimmige, humorvolle, temporeiche und einigermaßen kanonische Geschichte zu erzählen, in denen Anspielungen und Karikaturen sich beiläufig flüssig einfügen ohne wie mit dem Holzhammer präsentiert zu wirken.
oder sehe ich das falsch? Jedenfalls glaube ich, dass das der Grund ist, warum in meiner persönlichen Bewertung auch die schwachen Goscinny-Bände selten wirklich schlecht sind. So gesehen stimme ich also schon zu, dass er ein besserer Texter war als seine Nachfolger, aber hey - wir können nicht alle genial sein, und wenn wir von vorneherein meinen "so einer kommt nie wieder" und es gar nicht erst versuchen, dann KANN ja auch nie ein neuer Texter mit ähnlichen Fähigkeiten kommen; deswegen ist das in meinen Augen also überhaupt kein Grund, nach Goscinny mit Asterix aufzuhören; das ist wie mit Kindern, die kommen auch in die Pubertät und nerven vielleicht manchmal, aber sie können eben auch nicht stillstehen, nicht wahr? Ich finde, das muss jeder abkönnen und da braucht man auch nicht drüber zu jammern! Und am Ende, im Alter, wenn die Kinder auch schon erwachsen sind, freuen sich die meisten Leute ja doch drüber, dass sie sie haben:
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaf ... 50459.html).
**Ganz im Gegensatz zu den Viechern in Atlantis - die spielen eigentlich gar keine Rolle, sie sind nichtmal ein Gag. Sie sind einfach da, ohne Zweck (auch ohne Schaden, wie ich finde, aber dennoch - ohne Zweck)! Sie stören mich nicht, weil sie wie gesagt keinen Schaden anrichten, aber sie sind einfach ... sinnlos. DAS stört mich. Und dabei gehört dieser vielgescholtene Band tatsächlich zu meinen Lieblingsbänden, ich finde ihn über sehr weite Teile sehr gelungen. Aber das nicht. Aber wie gesagt, ich empfinde es auch nicht als Schaden, deshalb rege ich mich da nicht weiter drüber auf.